WG15 –
Briefentwurf an
Alma Mahler
Timmendorfer Strand
,
Samstag, 23. Juli 1910
Bist Du auch vorsichtig?
Hast Du die , Deine
Freundin nicht zu weit
eingeweiht in unsere süßen
Mysterien? \Danke ihr für ihre tatkräftige Hilfe/
Eben kaufte ich Schokolade
für die Kinder meiner ,
es kommt mir Unrecht
vor, irgend etwas zu tun
einem anderen Wesen etwas
liebes zu tun außer Dir.
Ich gehe vollständig in Dir
auf, alles meine gehört Dir,
meine ganze Seele breite
ich vor Dir aus.
Deinen lieben Brief hab
ich wieder u wieder gelesen
sei er ver brachte mir unsägliche
Freude u Trost, Dir auch
die meinen? Sei nicht
kleingläubig! Und ar glaube
so jung gesund u voll
Kraft werde ich
lege diese Rosenblätter in
Deine \lieben/ Hände und drücke
sie an dein geliebtes Ange-
sicht und erträume Dir
einen vollkommenen Kuß
Deines Geliebten .
Meine hatte wol eine
kleine Ahnung u merkt
mir auch noch irgend etwas
an, aber sie weiß nicht was
es ist. Sie hat mich gleich
nach gefragt
und ich sprach zwei
oder drei Sätze über Dich kalt u \gleichgültig/
ohne Wärme. Darauf war ich
so erschöpft daß ich allein
an den Strand ging und
um so inniger u wärmer
bei Dir war
Mein u
spielen mir vor
in unserer Halle. III Violin
Sonate. Ich bleibe dabei, daß
es sehr großer Stil ist, es
liegt mir künstlerisch ganz
nahe; es ist so männlich
losgelöst – abstrakt. Was Du
vermißt ist vielleicht die
Vitalität, darin muß ich
Dir beipflichten.
Mich ärgert die Untätig-
keit meiner Hände, es fehlt
Ihnen [!] das einzige Instrument
das sie \zu/ spielen können
verstehen das selige Akkord[e]
erklingen läßt sobald sie
es nur berühren.
vorhin lag ich im Bade-
trikot am Strande. Eine
meiner Nichten erkletterte
meinen Rücken und
erprobte in verführerischer
Weise meine Kitzlichkeit.
Diese Beschäftigung \Leidenschaft/ liegt
wol bei mir in der Rasse.
Mir rief \trieb/ dieses Händchen
das Blut zu Kopf und rief
die süßesten \lieblichsten/ Erinnerung zurück.
Ich meine , ich glaube,
wenn\rde/ wir ich Dich bald in
meinen Armen halten? Ich fühle,
daß dieses neue Wiederfinden
etwas so unerhört \göttlich überirdisch himmlisch/ schönes
sein wird, daßs es selbst
die süßesten Augenblicke unserer
Götternächte übertreffen
muß. Das Schicksal will,
wir sollen es noch besser
vollbringen. Die Erlösung
nach übermenschlicher solcher
Sehnsucht, dieses \gegenseitige/ tiefe
sich kennen, dieses in-
brünstige \noch anschwellende/ Verlangen, nach
einem Sohn von Dir wird
eine Kraft in mir erzeugen
die mich über mich selbst
erheben wird
Apparat
Überlieferung
, , , , , , , , , .
Quellenbeschreibung
5 Bl. (5 b. S.) – Notizblock.
Druck
Erstveröffentlichung.
Korrespondenzstellen
Antwort auf AM5 vom 20. Juli 1910 (Schreibe an Gräfin Triangi): Hast Du die Gräfin, Deine Freundin nicht zu weit eingeweiht und AM6 vom 21. Juli 1910 (Hat Deine Mutter Dir was angemerkt und gefragt): Meine Mutter hatte wol eine kleine Ahnung u merkt mir auch noch irgend etwas an. Beantwortet durch AM8 vom 25. Juli 1910 (Die lieben Rosen habe ich geküsst): lege diese Rosenblätter in Deine \ lieben / Hände.
Datierung
Wie sich deutlich aus dem Inhalt dieses Briefentwurfs ergibt, befand sich WG beim Verfassen desselben in Timmendorfer Strand. Dort feierte er am 22. Juli zusammen mit seiner Familie den Geburtstag der Mutter . WG beantwortete hier die Briefe AM5 vom 20. Juli 1910 (mit Poststempel vom 21. Juli) und AM6 vom 21. Juli 1910, die beide wahrscheinlich am 23. Juli vormittags in Timmendorfer Strand eingetroffen waren. Damit ist der vorliegende Briefentwurf auf den 23. Juli 1910 zu datieren. Am 24. Juli reiste WG wahrscheinlich am Nachmittag wieder zurück nach Neubabelsberg, weshalb die beschriebene Strandszene wohl am 22. Juli 1910 stattgefunden hat.
Übertragung/Mitarbeit
(Marie Apitz)
(Jannik Franz)
Kinder – , , , .
Rosenblätter – legte seinem Brief offensichtlich Rosenblätter aus dem Garten des Trimmdorfer Hauses bei, das von prächtigen Rosensträuchern gesäumt war.
III Violin Sonate – Es könnte sich um die gehandelt haben, die und gemeinsam auf Violine und Klavier vortrugen.